2.November.2021

Tour-Anekdoten: Als ich irgendwo in Europa meine Stimme verlor

Von Leila Abdul-Rauf

Es fing mit einem leichten Kratzen im Hals an. Ich bin mit meinen Bandmitgliedern von Vastum gerade erst am Morgen nach einem Gig in Stockholm in Berlin gelandet. Davor hatten wir schon einen zehnstündigen Flug aus Oakland (Kalifornien) hinter uns. Es war unsere erste Tour auf europäischem Boden. Noch ziemlich erschöpft von der Reise und dem Jetlag machten wir uns auf den Weg nach Breslau in Polen – eine Stadt, in der sich bereits eine Underground-Musikszene etabliert hatte. Diese vierstündige Fahrt von Deutschland nach Polen war – verglichen mit der langen Reise über den großen Teich am Vortag – gerade mal ein Steinwurf. Ich war bereits mit anderen Bands durch Europa getourt, wodurch ich mir ein paar Weisheiten bezüglich der Selbstfürsorge aneignen konnte: Viel Wasser und Schlaf sind Gold wert – die Möglichkeiten zu beidem sollte man so oft wie möglich wahrnehmen!

Ich dachte mir, dass ich vielleicht durch die Flüge nicht genug getrunken hatte. Schließlich muss man aufgrund der Regelungen alle Flüssigkeiten entsorgen, bevor man in ein Land eintritt, und in den meisten europäischen Flughäfen gibt es keine Trinkwasserbrunnen wie in den Staaten. Dadurch kann es Stunden dauern, bis man mal an einem Laden vorbeikommt, um sich eine Flasche Wasser zu besorgen. Zudem konnte ich noch nie im Flugzeug schlafen – doppeltes Pech also in Kombination mit Jetlag.

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Entgegen der Erwartung stellen Flughäfen nicht unbedingt Oasen der Wasserversorgung dar.

Alle tourenden Musiker kämpfen mit Jetlag – böse Müdigkeitserscheinungen, die mit dem Reisen durch verschiedene Zeitzonen einhergehen. Meiner Erfahrung nach ist es am besten, so lange wachzubleiben, bis die lokale Schlafenszeit angebrochen ist. Es mag etwas qualvoll sein, aber man sollte es tunlichst vermeiden, direkt nach der Landung um 16:00 Uhr im Hotel in Tiefschlaf zu fallen, nur um mitten in der Nacht aufzuwachen und morgens wieder einzuschlafen, wenn der Soundcheck ansteht. Um also die innere Uhr anzugleichen, kann man einen Flug buchen, der spätabends landet, damit man sich gleich schlafen legen kann. Falls man früher landet, kann man alternativ am Abend nach der Landung einen Auftritt ansetzen, sodass man wachbleiben muss. Ein starker Kaffee oder Tee kann das natürliche Auftritts-Adrenalin unterstützen, damit man es durch den Abend schafft. Und wenn das Einschlafen nach dem Auftritt nicht klappt? Dann nimmt man etwas Melatonin oder Baldrianwurzel mit einer Tasse Kamillentee.

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Während einer Tour wirkt Tee als Beruhigungsmittel für die Stimme und zum Einschlafen.

Obwohl wir gegen den Jetlag ankämpften, war unsere Show in Breslau ein voller Erfolg – ein Haus voller headbangender Metalheads und Rockliebhaber, die den Namen unserer Band riefen, als wir mit unserem Durchlauf fertig waren. Am nächsten Morgen sind wir zurück nach Deutschland gefahren, diesmal weiter Richtung Süden nach Zwickau. Plötzlich wurde das Kratzen in meinem Hals zu einem richtigen Schmerz, alles schwoll an und ich zog mir eine Erkältung zu. Meine Stimme war vollkommen weg – ich bekam gerade so ein Flüstern heraus. Als Gitarristin, die die Hälfte des Gesangs übernimmt (und alles aus der Kehle!), bin ich leicht ausgeflippt: Wie schaffe ich es nur durch den Rest der Tour? Und die Show musste einfach weitergehen. Zum Glück kannte unser Frontsänger all meine Liedtexte auswendig und hat mich würdig vertreten, aber ich wollte auf keinen Fall, dass der Rest der Tour so verlaufen würde. Nachdem unser Auftritt zu Ende war, bin ich sofort zurück ins Hostel gegangen und ertrank mich geradezu in Flüssigkeiten – bei mir kommen immer „Throat Coat“-Tee, Ingwertee und Wasser bei Zimmertemperatur zur Anwendung, bevor ich mich in meinen gesegneten Schlaf lege.

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Einige Sänger verwenden Brandy, um ihre Stimmen während eines Auftritts wieder auf Vordermann zu bringen, aber Alkoholverzicht und viel Ruhe haben mir besser getan.

Am nächsten Tag hatte ich meine Stimme wieder. Sie reichte gerade so aus, um durch die restlichen Shows zu kommen, aber dafür war viel Disziplin erforderlich: absolutes Sprechverbot zwischen den Auftritten, Flüssigkeitsaufnahme nur ohne Alkohol und viel schlafen, auch wenn die anderen die Stadt unsicher gemacht und bis spät in die Nacht gefeiert haben. Ich fühlte mich etwas einsam, aber es wäre wesentlich schlimmer gewesen, dem europäischen Publikum nicht die Gelegenheit zu bieten, Vastum beim ersten Mal live mit voller Belegschaft hören zu können.

Leila Abdul-Rauf ist eine Multiinstrumentalistin und Komponistin aus Oakland, Kalifornien. Leila ist Gitarristin und Sängerin für die Metal-Bands Vastum und Hammers of Misfortune sowie die „Ethereal Post-Punk“-Band Terebellum. Sie komponiert und produziert zudem Hintergrundmusik unter ihrem eigenen Namen zusammen mit dem Electronic-Trio Ionophore und dem Synth-Folk-Duo Fyrhtu. Leila war international auf Touren unterwegs und ist in ihrer Freizeit Gitarren- und Gesangslehrerin.

"Airplane landing at Zurich airport" von Kuhnmi ist lizenziert unter CC BY-SA 4.0.

„Airport people walking waiting“ von Skitterphoto ist lizenziert von Pixabay.

„Infusion tea teacup ginger“ von natalialin ist lizenziert von Pixabay.

„Cognac brandy alcohol“ von PDPhotos ist lizenziert von Pixabay.

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